Wieland Försters Erinnerungen an seine Jugend in Dresden 1930–1946
»Dresdens doppelter Boden«
Veröffentlicht am Mittwoch, 9. Mai 2012
Der in Dresden geborene Künstler Wieland Förster, der deutschlandweit als Bildhauer bekannt ist, sich aber auch als Schriftsteller betätigt, hat ein zwiespältiges Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Das spürt man auch beim Lesen seiner Jugenderinnerungen, die unter dem Titel »Seerosenteich« im Sandstein Verlag eben erschienen sind.
Der in Dresden geborene Künstler Wieland Förster, der deutschlandweit als Bildhauer bekannt ist, sich aber auch als Schriftsteller betätigt, hat ein zwiespältiges Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Das spürt man auch beim Lesen seiner Jugenderinnerungen, die unter dem Titel »Seerosenteich« eben erschienen sind.
Da ist auf der eine Seite die dörfliche Idylle des Vorortes Laubegast, wo sein Geburtshaus heute noch steht, und das romantische Erlebnis der Dresdner Altstadt, in der er sich als pubertierender Teenager in eine wunderschöne Frau verkuckt, der er nachforscht. Da sind erste, kindliche Liebeserlebnisse mit Hanna, die ihn verlässt, und Lena, deren kindliche Unschuld er sich bewahren möchte. Und natürlich ist da die Sächsische Schweiz, deren Landschaft er entdeckt.
Hinter all dieser Schönheit lauert allerdings ein doppelter Boden. Wieland Förster wächst unter sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater stirbt früh und die Mutter muss fünf Kinder allein groß ziehen und opfert sich auf. »Wir waren zu sechst und ohne jeden Besitz, was jedoch keines der Kinder spürte«, berichtet er. Immer wieder besteht die Gefahr, dass die Familie unter staatliche Vormundschaft genommen wird, was die Mutter jedoch zu verhindern weiß. Solche Erfahrungen prägen und prädestinieren früh für einen unangepasst skeptischen Lebensweg. Wieland Förster schreibt: »Obwohl nicht politisch erzogen gehörte ich, der Nähe auch immer als Bedrohung empfand, charakterlich zu den wenigen massenuntauglichen Außenseitern«. Und das in einer Zeit, wo Massentauglichkeit von Seiten der herrschenden NS-Ideologie gefordert wird. Seine Nase ist groß und kantig und Wieland wird von Mitschülern als »Judennase« beschimpft. Aus Protest lässt er sich die Haare lang wachsen, was nicht dem gern gesehenen Kurzhaarschnitt entspricht. Und die bereits erwähnte wunderschöne Frau entpuppt sich als Prostituierte. Nach der Befreiung werden die Verhältnisse auch nicht besser.
Wieland Försters Erinnerungen sind im Vergleich zu anderen Dresdner Erinnerungsbüchern deutlich mehr reflektiert und literarisch durchgearbeitet. Aber es sind harte Erinnerungen. Neben den geschilderten Ereignissen gibt es versuchte und tatsächliche Vergewaltigungen, einen Augenzeugenbericht von der brennenden Dresdner Synagoge, scheinheilige Vorstadtbewohner und ein peinliches Verhör durch einen russischen Offizier. Besonders beeindruckend sind die Schilderungen des ersten Luftangriffs auf Dresden am 7. Oktober 1944. Wieland Förster war freiwilliger Luftschutzhelfer und hatte als solches die Aufgabe, während und nach dem Angriff, Leichen beiseite zu schaffen, Blindgänger zu markieren und Straßen von Schutt zu beräumen. Auch der Titel »Seerosenteich« bezeichnet letztlich ein Grauen. Das absolute Grauen sollte im Februar 1945 jedoch erst noch kommen.
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Kontakt & weitere Infos
Wieland Förster: Seerosenteich, Autobiografie einer Jugend in Dresden 1930–1946
Dresden 2012, Sandstein Verlag | ISBN: 978-3-942422-89-5