Viel mehr umgesetzt, als erwartet
Veröffentlicht am Freitag, 24. Januar 2020
Stadtbezirksamtsleiter Andrè Barth wünscht sich für das neue Jahr mehr Rücksichtnahme und Gelassenheit im Umgang miteinander und sieht die Dresdner Neustadt auf einem guten Weg.
Das Jahr war erst wenige Tage alt, als sich Stadtbezirksamtsleiter André Barth in einem ausführlichen Interview den Fragen der »Neustadt Zeitung« stellte.
Herr Barth, zunächst ein gesundes neues Jahr. Mit welchen Wünschen starten Sie in die kommenden zwölf Monate?
Ich wünsche zunächst allen Neustädterinnen und Neustädtern ein gesundes und vor allem glückliches neues Jahr. Uns allen gemeinsam wünsche ich, dass wir alle im Umgang miteinander ein kleines bisschen Rücksichtnahme und Gelassenheit entwickeln. Ich glaube, das täte uns gut!
Wie hat sich der Stadtteil im letzten Jahr entwickelt?
In unserem Gespräch Anfang 2019 hatte ich ja schon angedeutet, dass wir mit der Stadtbezirksverfassung eine gewisse Zäsur erleben würden. Das hat sich bestätigt. Schon die Wahl als solche war aufgrund ihrer Verbindung mit den anderen beiden Wahlen eine echte Herausforderung. Zum ersten Mal ist der Stadtbezirksbeirat direkt gewählt worden.
In der Folge konnten wir erstmals eine Reihe von Entscheidungen vor Ort treffen. Uns stand zum ersten Mal Geld zur Verfügung und wir mussten sowohl im Stadtbezirk als auch in der Verwaltung lernen, wie man mit den damit verbundenen Mechanismen und Verfahren umgeht. Erfreulicherweise konnten viel mehr Vorhaben umgesetzt werden, als zunächst erwartet.
Wir haben einige Projekte auf den Weg gebracht. Im Alaunpark zum Beispiel konnten die Wege saniert werden. An der Querung Alaunstraße, Ecke Glacisstraße gibt es nun die seit langem gewünschte Ampelanlage. Zu nennen wäre auch der neue Radweg an der Kleinen Bautzner Straße. Umgesetzt worden ist das Modellprojekt der Müllcontainer an den Elbwiesen. Das war mir auch persönlich sehr wichtig. In Zusammenarbeit mit dem Suchtzentrum Leipzig konnten wir die suchtspezifische Straßensozialarbeit für Erwachsene etablieren. Ende des Jahres ist die Rettungswache Louisenstraße nach der Sanierung wieder eingeweiht worden. An der Scheune gibt es nun eine Fahrrad-Reparaturwerkstatt und nicht zuletzt wäre der neueste offizielle Tauschschrank an der Martin-Luther-Kirche zu nennen.
Welche Entwicklungspotentiale sehen Sie?
Großes Potential bietet nach meiner Überzeugung die Stadtbezirksverfassung, weil sie im Kern die Entscheidungen der, in Anführungsstrichen, fernen Stadt zu Entscheidungen vor Ort macht, wenigstens was die stadtteilbezogenen Angelegenheiten betrifft. Wenn man über stadtteilbezogene Maßnahmen beraten und auch entscheiden kann, tut das dem Stadtteil sehr gut! Die Wirkmechanismen konzentrieren sich auf zwei große Bereiche. Da ist zum einen die Möglichkeit, Projekte von Vereinen, Initiativen, Privatpersonen und verschiedenen anderen Akteuren zu fördern. Außerdem sind wir nun in die Lage versetzt, als Stadtbezirk bestimmte städtische Vorhaben zu beeinflussen, indem wir zu für uns wichtigen Vorhaben Gelder beisteuern und damit eine zügigere Realisierung unterstützen können. Ein Beispiel ist die Planung des Scheuneumfelds. Außerdem sind auf diesem Weg Baumpflanzungen unterstützt worden. Mit dem eigenen Budget haben wir also ein Steuerungselement in die Hände bekommen.
Wenn wir von Entwicklungspotentialen sprechen, wird man an der Frage des Klimawandels nicht vorbeikommen. Wir werden den Klimawandel natürlich nicht beeinflussen können, müssen aber auch auf Stadtbezirksebene überlegen, wie damit umzugehen ist. Es gilt die Balance zwischen immer mehr Wohnungsbau und den klimatischen Herausforderungen zu finden. Bauordnungsrechtlich kann zum Beispiel die Neustadt in weit größerem Umfang als bisher verdichtet werden.
Klimatisch ist das wenig sinnvoll, weil damit immer mehr Überwärmung produziert wird. Also ist zu überlegen, wie man stadtklimatisch vorgeht. Das betrifft Regenrückhaltung ebenso wie Dach- und Fassadenbegrünung aber auch Baumpflanzungen usw. All diese Dinge werden künftig im Fokus stehen müssen.
Im November 2018 begann unter dem Motto »Lasst uns reden« eine Dialogreihe. Welche Themen sind im letzten Jahr aufgenommen worden?
Von den Bürgerinnen und Bürgern sind Glasscherben, Lärm, Müll und Wildpinkeln als die dringendsten Probleme benannt worden. Wir haben daraufhin u. a. eine Kampagne entwickelt: Die Geister der Neustadt. Dabei ging es uns in erster Linie darum, auf die Konfliktfelder hinzuweisen. Was zum Beispiel passiert, wenn Menschen lärmend durch das Viertel ziehen und Kinder deshalb nicht schlafen können. Die Kampagne appelliert an die Rücksichtnahme der Partygänger und ist eine von vielen Komponenten. Weitere Komponenten sind zum Beispiel Kontrolle, Angebot und Prävention.
Gibt es konkrete Ergebnisse und wie sehen die aus?
Die Kampagne ist das Ergebnis! Was haben wir gemacht? Innerhalb dieser Kampagne gibt es verschiedene Module. Es gab eine Auftaktveranstaltung mit Silentdisko. Silentdisko heißt, dass man Kopfhörer aufhat und still tanzt. Wir haben Citycards mit Bildmotiven zu den verschiedenen Konfliktfeldern entwickelt, in deutsch und in englisch. Es sind Bierdeckel mit den entsprechenden Motiven gedruckt und den gastronomischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt worden. Die Kampagne richtet sich vor allem an die Besucher der Neustadt. Deshalb laufen zum Beispiel Filmclips im Fahrgastfernsehen der Straßenbahn. Wir zeigen auch Handlungsalternativen auf. Man muss nicht »wild« pinkeln, sondern kann ganz selbstverständlich das Angebot »Nette Toilette« nutzen. Glasflaschen müssen nicht auf der Straße landen, sondern können auch in den Spätshops abgegeben werden, mit denen es Vereinbarungen gibt, auch pfandfreie Flaschen zurückzunehmen. Die Kampagne ist ausdrücklich nicht auf Verbote hin ausgerichtet. Man soll feiern, aber dabei rücksichtsvoll mit Anderen umgehen.
Der Stadtbezirksbeirat konnte erstmals über ein eigenes Budget verfügen. Über welche Größenordnungen reden wir da eigentlich, wie und wo wurde das Geld eingesetzt?
Wir hatten für den Stadtbezirk Neustadt zehn Euro pro Einwohner, d. h. 508.750 Euro, zur Verfügung. Der Stadtbezirk entscheidet über die Verwendung dieser Gelder. Dazu wurden 43 Vorlagen gefertigt. 20 Prozent der Mittel flossen in die Projektförderung nach der Stadtbezirksförderrichtlinie und zirka 80 Prozent in die Unterstützung städtischer Maßnahmen.
Unterstützt und gefördert worden ist das BRN-Koordinierungsbüro ebenso wie das Pilotprojekt »Chancen für die Chancenlosen«. Wir haben eine Streuobstwiese ebenso wie die Anschaffung von Lastenfahrrädern unterstützt. Dazu kamen verschiedene Veranstaltungen wie das Kinderfest im Alaunpark, Film- und Diskussionsabende, Straßenfeste, der Nikolausmarkt und kleine, feine Dinge wie die Benennung des Friedericke-Beier-Weges. Frau Beier hat sich sehr verdient gemacht um die Bunte Republik Neustadt.
Im Hechtviertel gab es eine Petition zur Förderung sicherer Schulwege. Die Kreuzungen im Bereich Hecht- und Erlenstraße waren permanent zugeparkt. Um Abhilfe zu schaffen, sollten Radbügel eingebaut werden. Auf den Radbügeln allerdings wäre es unmöglich gewesen, die Bühnen für das genau in diesem Bereich stattfindende Hechtfest aufzubauen. Also haben wir uns vor Ort getroffen, um die Interessen der Anwohner und des Hechtviertelvereins zusammenzuführen. In der Folge werden keine Radbügel sondern mobile Pflanzkübel aufgestellt. Die Pflanzkübel halten die Kreuzungen auch frei, sind schön anzusehen und können während des Hechtfestes vom veranstaltenden Verein beiseite gestellt werden. Die ganze Maßnahme ist aus Mitteln des Stadtbezirkes bezahlt worden. Weitere Beispiele sind Gehweginstandsetzungen wie an der Bärwalder Straße, die sonst nicht erfolgt wären, oder die Einrichtung einer Freiluftoase an der 103. Grundschule.
Ist das Budget ausgeschöpft worden?
Ja!
Gibt es Restmittel?
Nein! Mit einem gewissen Stolz möchte ich sagen, dass es eben gelungen ist, die Mittel in unseren Stadtbezirk hinein zu transportieren und sie dem Stadtteil komplett zur Verfügung zu stellen.
Welche Mittel stehen 2020 zur Verfügung und inwieweit sind sie bereits verplant?
2020 stehen Mittel in gleicher Höhe wie im vergangenen Jahr zur Verfügung, 508.750 Euro. In der ersten Sitzung des Stadtbezirksbeirates sind bereits zwei Vorlagen beschlossen worden. Sie betreffen das Konzert der Kinderchorgruppe und das Martinsfest des Kirchspiels Dresden-Neustadt sowie die Finanzierung des diesjährigen BRN-Büros. Ins Auge gefasst ist die Weiterführung des Projektes »Chancen für die Chancenlosen« und verschiedene städtische Maßnahmen, wo wir unsere Steuerungsfunktion ausüben. Das betrifft zum Beispiel Vorschläge aus der Einwohnerschaft, am Bischofsplatz eine Tischtennisplatte aufzustellen. Auf dem Programm stehen außerdem weitere Straßenbaumpflanzungen. Auch der Waldparkspielplatz am Albertpark soll aufgewertet werden. Man muss sich aber auch darüber klar sein, dass, je nachdem wie viele Förderanträge kommen, Kürzungen nötig sein können.
Wir kennen Sie als begeisterten Statistiker, nennen Sie bitte fünf Zahlen, an denen die Entwicklung der Neustadt in den vergangenen zwölf Monaten besonders deutlich wird?
Ich habe fünf Bereiche herausgegriffen. Und zwar: Wieviel sind wir? Wieviel Nachwuchs gibt es? Wie alt sind wir? Wieviel Autos fahren wir und wie gut geht es uns? Wir machen mal den Jahres- und Jahrzehntvergleich.
2010 lebten in der Neustadt 44.799 Menschen, 2018 waren es 51.019. Per 31. September 2019 zählte man 51.267 Bürgerinnen und Bürger. Fazit: Wir wachsen!
Geburten: 2010 kamen 745 Kinder zur Welt, sieben Jahre später 2017 sind es 819 gewesen und 2018 kamen 808 Neugeborene hinzu. 9,1 Prozent der Dresdner lebten 2018 in der Neustadt. Im gleichen Jahr betrug der Geburtenanteil der Neustadt, auf ganz Dresden bezogen, 13,35 Prozent. Schlussfolgerung: Wir sind fleißig!
Drittens: Wie alt sind wir? 2010 lag das Durchschnittsalter im Stadtbezirk bei 35,1 Jahren, 2018 bei 35,6. Am 30. September 2019 waren es 35,8 Jahre. Wir werden nur gaanz langsam älter!
Wie viele Autos fahren wir? Hier starten wir 2010 mit 17.080 Fahrzeugen, davon sind 11.761 privat. 2017 sind es 19.410 Autos, davon 12.442 in privaten Händen. 2018 wurden 19.758 Fahrzeuge gezählt, 12.550 wurden privat genutzt. Bei einem Einwohneranteil von 9,1 Prozent auf ganz Dresden bezogen fahren in der Neustadt lediglich 7,5 Prozent der zugelassenen Autos. D. h.: Viele Geburten, wenig Autos!
Und nun die Frage, wie gut geht es uns? Die Zahlen stammen aus der kommunalen Bürgerumfrage und verstehen sich ohne die Leipziger Vorstadt, die einem anderen Bereich zugeordnet ist. 2010 betrug das Äquivalenzeinkommen (Hinweis: Äquivalenzeinkommen bezeichnet eine statistische Messgröße, die das Einkommen abhängig von der Haushaltsgröße und -zusammensetzung je Person umrechnet. So lässt sich die Verteilung der finanziellen Ausstattung besser beschreiben als mit der Angabe eines Pro-Kopf-Einkommens, http://www.dresden.de/media/pdf/onlineshop/statistikstelle/KBU_2018_Hauptaussagen.pdf) in der Neustadt 1.450 Euro, stadtweit waren es 1.356 Euro. Bis 2018 stieg es auf 1.867 Euro, bezogen auf ganz Dresden lag es bei 1.700 Euro. Ergebnis: So schlecht geht es uns nicht! Das sind natürlich Durchschnittszahlen gemäß der alten Weisheit durchschnittlich war der Teich einen Meter tief und trotzdem ist die Kuh ertrunken.
Teil II des Interviews folgt in der Februarausgabe. Es fragte Steffen Möller.