»Stricken Interkulturell«

Strickend die Sprache lernen

Veröffentlicht am Mittwoch, 19. Oktober 2016

In Dresden-Johannstadt treffen sich Frauen aus verschiedenen Ländern, um beim Stricken mehr voneinander zu erfahren und dabei ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen.

Beim Stricken kommen sie schnell ins Gespräch: Lara aus Syrien (l.), Annelie Gunkel (hinten stehend links) und die anderen Frauen aus Syrien, Paraguay, China und Afghanistan. Foto: Trache

Beim Stricken kommen sie schnell ins Gespräch: Lara aus Syrien (l.), Annelie Gunkel (hinten stehend links) und die anderen Frauen aus Syrien, Paraguay, China und Afghanistan.

Foto: Trache

Johann­stadt. Lebhaft geht es jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr zu im Johann­städter Kultur­treff, wenn sich die Frauen beim Stricken über Alltags­er­fah­rungen austau­schen. »Viele Nationen sitzen dabei an einem Tisch«, freut sich Annelie Gunkel, die Initia­torin und Leiterin des Projekts »Stricken Inter­kul­turell«. Begonnen hat sie damit im Januar 2014, unter­stützt vom Auslän­derrat. »Ich wollte gern mit Frauen aus allen Kulturen etwas mit Kunst und Farben machen. Da ich selbst gerne stricke, habe ich diesen Strick­treff ins Leben gerufen«, erzählt sie. Anfangs kamen drei bis vier Frauen aus Tsche­tschenien. Später folgten Frauen aus Afgha­nistan, Eritrea, dem Irak und Iran. Zwischen 15 und 20 Frauen, manchmal auch mehr, sind jetzt dabei. Die Frauen stricken auch für andere. 2015 haben sie zum Beispiel ihre selbst­ge­fer­tigten Pullover oder Socken in der damaligen Zeltstadt an der Bremer Straße abgegeben. Sie stricken Söckchen für Neuge­borene. Diese werden von Mitar­beitern des Jugend­amtes bei ihren »Begrü­ßungs­be­suchen« in Familien mit Babys überreicht. Natürlich nicht ohne zu erwähnen, wer die Söckchen gestrickt hat. Den Frauen tut es gut, etwas für die Gesell­schaft, in der sie leben, zu tun. Dankbar nehmen sie jederzeit Wollspenden entgegen.

»In unserer Handar­beits-runde sind die Frauen mutig genug, ihre wenigen deutschen Worte anzuwenden, aber auch Fragen zu stellen, die sie sich sonst nicht zu stellen trauen«, betont Annelie Gunkel. Besonders den Geflüch­teten möchte sie durch diese Begeg­nungen helfen, ihre schlimmen Erleb­nisse ein wenig zu vergessen. Zu Beginn jedes Treffs werden die Frauen begrüßt und ein geläu­figer Satz in Deutsch an eine Tafel geschrieben. Kommt jemand neu in die Runde, beginnt der Treff mit einer Vorstellung auf Deutsch.

Mit ihren guten Deutsch­kennt­nissen hilft Lara aus Syrien beim Dolmet­schen ins Arabische. Die 34-Jährige lebt seit mehr als zwei Jahren in Dresden. Auch Studen­tinnen, Hausfrauen sowie Rentne­rinnen unter­stützen den Strick­treff ehren­amtlich. Sie üben bei Bedarf mit den Frauen Deutsch, helfen beim Anfer­tigen von Bewer­bungen oder bei Behör­den­schreiben. Dem Team um Annelie Gunkel gelang es bereits, Wohnungen an die Frauen und deren Familien zu vermitteln und half erfolg­reich bei der Suche nach Praktika bzw. Arbeits­plätzen. Nicht alle »Strick-Frauen« sind Geflüchtete. Marta Villalba aus Paraguay lebt seit zehn Jahren in Dresden. Gekommen ist sie wegen des Studiums, geblieben wegen der Liebe.

Im Frühling 2016 begannen die Frauen gemeinsam ein »inter­na­tio­nales Blumenbild« zu häkeln, bestehend aus 160 Blüten. Das übergaben sie zur Eröffnung der Inter­kul­tu­rellen Tage an Oberbür­ger­meister Dirk Hilbert.

Claudia Trache

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