Singakademie bringt Dresdner Komponistenstraßen zum Klingen
Veröffentlicht am Freitag, 27. August 2021
Kultur unter freiem Himmel: 60 Mitwirkende aus drei Chören erfreuten an ungewöhnlichen Orten mit ihrem Gesang.
Neuer künstlerischer Leiter der Singakademie Dresden ist Michael Käppler, der in Dresden und Erfurt studiert hat. Michael Käppler kam in Erfurt eine interessante Idee, als er dort Auf dem Anger stand, einem zentralen Platz der Domstadt. Gibt es in der Oper Carmina Burana von Carl Orff nicht einen Tanz mit dem Titel »Uf dem Anger«? Wie wäre es, wenn man die Musik in Erfurt auf dem gleichnamigen Platz zur Aufführung brächte? Die Erfurter Idee gelangte in diesem Sommer in Dresden zu ungeahnter Blüte. Denn Käppler hatte festgestellt, dass in Dresden ca. 60 Straßen nach Komponisten benannt wurden.
Overtüre am 9. Juli 2021
Gleich vier Straßen brachte der ausgebildete Kirchenmusiker im Juli zum Klingen. Beteiligt waren ca. sechzig Mitwirkende aus drei Chören: Dem Kammerchor, dem Seniorenchor und dem Großen Chor. Den musikalischen Auftakt bildete am 9. Juli die Johannes-Brahms-Straße in Kleinzschachwitz. Dort befindet sich mit dem Friedenspark ein kleiner grüner Park mit einem Denkmal zum Ersten Weltkrieg. Dieses war als Bauwerk von Bedeutung für die Akustik, denn nicht umsonst finden Freiluftkonzerte sonst in Konzertmuscheln wie auf dem Weißen Hirsch statt, um dem Schall eine Richtung zu geben. Außerdem liegt das Elternhaus einer Sängerin ganz in der Nähe – ihre Eltern spendeten den Strom für das mitgebrachte elektrische Tasteninstrument. Das Wetter blieb trocken, nicht ein Tropfen fiel bis zur Zugabe. Angehörige der Chorsänger und Anwohner hatten so ein wundervolles kleines Kulturerlebnis im Grünen, wie der Applaus am Ende bewies. Besonders gut kam das das Lied »Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten« an, das aus den Liebesliedern von Brahms stammt. Die Ouvertüre war gelungen!
Weitere Orte wählte der Chorleiter anhand von Satellitenaufnahmen aus. So konnte er aufgrund der Bebauung ihre Eignung feststellen, bevor er die Orte selbst aufsuchte. Teilweise war es auch nicht ganz einfach für ortsunkundige Besucher, die richtige Wiese im Wohngebiet zu finden, wie der Autor dieser Zeilen selbst in der Johannstadt feststellen konnte, als er zum Robert-Schumann-Konzert fast zu spät gekommen wäre, weil der Hinterhof im Wohngebiet doch ein klein wenig versteckt war. Allerdings hatte dies seinen zusätzlichen Reiz: Chormitglieder und Musikfreunde gelangten so an Orte, die sie sonst womöglich gar nicht kennengelernt hätten. Neben drei bekannten Komponisten – Brahms, Schumann und Bartholdy – hatte der Chorleiter auch bewusst einen weniger bekannten ausgewählt: Moritz Hauptmann, dessen Namen eine Straße in Mickten trägt. Dieser nur Insidern bekannte Dresdner Komponist aber war eine besondere Überraschung: Wer hat schon mal Wanderers Nachtlied »Über allen Wipfeln ist Ruh‘« von Goethe in der vertonten Fassung von Moritz Hauptmann von einem Chor der Singakademie dargeboten bekommen? Hauptmann wurde übrigens auf Empfehlung von Felix Mendelssohn Bartholdy Kapellmeister im Leipziger Gewandhaus.
Auf der Mendelssohnallee beendete die Singakademie ihre diesjährige Komponistenstraßentour. Hier erklang u. a. das Volkslied »Oh Täler weit, oh Höhen«, das Mendelssohn vertonte. Zweifellos hat Michael Käppler der Kunststadt Dresden mit seiner wunderbaren Idee, Komponistenstraßen zum Klingen zu bringen, ein musikalisches Kleinod hinzugefügt – zur Freude von Anwohnern und Musikliebhabern. Die neue Reihe wird nächstes Jahr fortgeführt.