Mobil trotz Hochwasser

Umfrage liefert Einblicke zum Mobilitätsverhalten in Extremsituationen

Veröffentlicht am Montag, 22. März 2021

Laubegast ist »hochwassererfahren«. Die Erfahrungen der Anwohner fließen in eine wissenschaftliche Untersuchung zum Mobilitätsverhalten in Zeiten des Hochwassers.

Steigt die Elbe bei Hochwasser, kann das für die Bewohner am Laubegaster Ufer bedrohlich werden, wie die Ereignisse 2002 und 2013 gezeigt haben. Die Erfahrungen der Betroffenen sind jetzt in eine wissenschaftliche Untersuchung eingeflossen.

Foto: Pohl/Archiv

Das Thema Hochwasser begleitet die Laube­gaster Bevöl­kerung seit Jahrhun­derten. Christina Wisotzky, wissen­schaft­liche Mitar­bei­terin am Karls­ruher Institut für Techno­logie (KIT), geht in ihrer Forschungs­tä­tigkeit der Frage nach, welche Auswir­kungen Hochwasser auf die Mobilität privater Haushalte hat. Dazu führte sie im November und Dezember 2019 eine Befragung in der Bevöl­kerung in Laubegast durch. »Wir haben mit unserer Befragung einen Rücklauf von deutlich über 500 Frage­bögen erreichen können. Das liegt weit über dem, was wir erwartet hatten«, erklärt Christina Wisotzky. »Der hohe Rücklauf zeigt uns, wie sehr das Thema auf Interesse in der Bevöl­kerung stößt und bietet uns eine sehr gute Ausgangs­basis für fundierte Erkennt­nisse zu Verän­de­rungen im Mobili­täts­ver­halten«, ergänzt Prof. Kay Mitusch, Lehrstuhl­in­haber und Projekt­leiter am KIT, der sich seit Jahren mit Auswir­kungen extremer Natur­er­eig­nisse auf den Verkehr beschäftigt.

In der Befragung wurde das Mobili­täts­ver­halten im Alltag und in einer Hochwas­ser­woche abgefragt. Wie in der Verkehrs­for­schung üblich, wurde gefragt, welche Wege die Menschen typischer­weise an einem Tag zurück­legen, welche Ziele zu welchen Zwecken angesteuert werden. Außerdem wurden die verwen­deten Verkehrs­mittel und die Dauer und Häufigkeit der Wege erfasst. Das Ergebnis überrascht nicht: Der Vergleich zeigt, dass in der Hochwas­ser­woche grund­sätzlich ein starker Rückgang der Gesamtzahl der Wege festzu­stellen ist. Besonders deutlich lässt sich der Rückgang bei »Bring- und Holwegen«, sowie bei Freizeit­wegen (zum Beispiel zum Sport) beobachten. Im Gegensatz dazu gewinnen sogenannte »Besor­gungs- und Servicewege«, d. h. beispiels­weise Einkaufswege, im Hochwas­serfall relativ gesehen an Bedeutung. Bei der Verkehrs­mit­telwahl ist zu erkennen, dass das zu Fuß gehen und das Fahrrad­fahren im Hochwas­serfall wichtiger sind als im Alltag, während der Öffent­liche Verkehr und insbe­sondere der Pkw an Bedeutung verlieren.

Passend dazu lassen sich Verän­de­rungen hinsichtlich der Entfernung der angesteu­erten Ziele und der benötigten Zeit für das Zurück­legen der Wege erkennen. Im Hochwas­serfall liegt eine stärkere Konzen­tration auf Ziele im Nahbe­reich. Während im Alltag bereits 75 Prozent der Ziele im Umkreis von fünf Kilometer liegen, sind es im Hochwas­serfall sogar über 80 Prozent. Dennoch nehmen mit Ausnahme der Besor­gungs- und Servicewege (hier ist keine Verän­derung zu beobachten) die Wege im Hochwas­serfall mehr Zeit in Anspruch. Der größte Zuwachs ist bei den Arbeits­wegen zu beobachten. Für einen Arbeitsweg brauchen die Laube­gaster im Alltag im Durch­schnitt eine knappe halbe Stunde. Im Hochwas­serfall benötigen sie 45 Minuten. Einige Verän­de­rungen bzgl. der Mobili­tätszeit lassen sich zumindest teilweise auf die verstärkte Nutzung langsa­merer Verkehrs­mittel im Hochwas­serfall (zu Fuß gehen und Fahrrad­nutzung) zurück­führen, die im Nahbe­reich stärker vertreten sind.

Die Laube­gaster Bevöl­kerung ist sehr erfahren mit Hochwasser. Über 90 Prozent der Befragten haben bereits ein Hochwasser erlebt. Diese Tatsache lässt erwarten, dass die gemachten Angaben zum Mobili­täts­ver­halten im Hochwas­serfall auf tatsäch­lichen Erfah­rungen der Vergan­genheit beruhen und damit realis­tisch sind. Über die Hälfte der Befragten schätzt die Hochwas­ser­gefahr als hoch, mehr als ein Drittel als mittel ein. Die verkehr­liche Situation in Laubegast im Alltag wird grund­sätzlich positiv bewertet: Sowohl die Bus-/Bahn-Anbindung als auch die Kfz-Anbindung werden vom Großteil der Befragten eher gut bewertet. Im Hochwas­serfall sind jedoch über 60 Prozent der Befragten nicht mit den Verkehrs­mög­lich­keiten in Laubegast zufrieden.

Nähere Infor­ma­tionen zu den Ergeb­nissen des Forschungs­pro­jektes unter netze.econ.kit.edu/befragung.php.

Christine Pohl

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