Mobil trotz Hochwasser
Umfrage liefert Einblicke zum Mobilitätsverhalten in Extremsituationen
Veröffentlicht am Montag, 22. März 2021
Laubegast ist »hochwassererfahren«. Die Erfahrungen der Anwohner fließen in eine wissenschaftliche Untersuchung zum Mobilitätsverhalten in Zeiten des Hochwassers.
Das Thema Hochwasser begleitet die Laubegaster Bevölkerung seit Jahrhunderten. Christina Wisotzky, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), geht in ihrer Forschungstätigkeit der Frage nach, welche Auswirkungen Hochwasser auf die Mobilität privater Haushalte hat. Dazu führte sie im November und Dezember 2019 eine Befragung in der Bevölkerung in Laubegast durch. »Wir haben mit unserer Befragung einen Rücklauf von deutlich über 500 Fragebögen erreichen können. Das liegt weit über dem, was wir erwartet hatten«, erklärt Christina Wisotzky. »Der hohe Rücklauf zeigt uns, wie sehr das Thema auf Interesse in der Bevölkerung stößt und bietet uns eine sehr gute Ausgangsbasis für fundierte Erkenntnisse zu Veränderungen im Mobilitätsverhalten«, ergänzt Prof. Kay Mitusch, Lehrstuhlinhaber und Projektleiter am KIT, der sich seit Jahren mit Auswirkungen extremer Naturereignisse auf den Verkehr beschäftigt.
In der Befragung wurde das Mobilitätsverhalten im Alltag und in einer Hochwasserwoche abgefragt. Wie in der Verkehrsforschung üblich, wurde gefragt, welche Wege die Menschen typischerweise an einem Tag zurücklegen, welche Ziele zu welchen Zwecken angesteuert werden. Außerdem wurden die verwendeten Verkehrsmittel und die Dauer und Häufigkeit der Wege erfasst. Das Ergebnis überrascht nicht: Der Vergleich zeigt, dass in der Hochwasserwoche grundsätzlich ein starker Rückgang der Gesamtzahl der Wege festzustellen ist. Besonders deutlich lässt sich der Rückgang bei »Bring- und Holwegen«, sowie bei Freizeitwegen (zum Beispiel zum Sport) beobachten. Im Gegensatz dazu gewinnen sogenannte »Besorgungs- und Servicewege«, d. h. beispielsweise Einkaufswege, im Hochwasserfall relativ gesehen an Bedeutung. Bei der Verkehrsmittelwahl ist zu erkennen, dass das zu Fuß gehen und das Fahrradfahren im Hochwasserfall wichtiger sind als im Alltag, während der Öffentliche Verkehr und insbesondere der Pkw an Bedeutung verlieren.
Passend dazu lassen sich Veränderungen hinsichtlich der Entfernung der angesteuerten Ziele und der benötigten Zeit für das Zurücklegen der Wege erkennen. Im Hochwasserfall liegt eine stärkere Konzentration auf Ziele im Nahbereich. Während im Alltag bereits 75 Prozent der Ziele im Umkreis von fünf Kilometer liegen, sind es im Hochwasserfall sogar über 80 Prozent. Dennoch nehmen mit Ausnahme der Besorgungs- und Servicewege (hier ist keine Veränderung zu beobachten) die Wege im Hochwasserfall mehr Zeit in Anspruch. Der größte Zuwachs ist bei den Arbeitswegen zu beobachten. Für einen Arbeitsweg brauchen die Laubegaster im Alltag im Durchschnitt eine knappe halbe Stunde. Im Hochwasserfall benötigen sie 45 Minuten. Einige Veränderungen bzgl. der Mobilitätszeit lassen sich zumindest teilweise auf die verstärkte Nutzung langsamerer Verkehrsmittel im Hochwasserfall (zu Fuß gehen und Fahrradnutzung) zurückführen, die im Nahbereich stärker vertreten sind.
Die Laubegaster Bevölkerung ist sehr erfahren mit Hochwasser. Über 90 Prozent der Befragten haben bereits ein Hochwasser erlebt. Diese Tatsache lässt erwarten, dass die gemachten Angaben zum Mobilitätsverhalten im Hochwasserfall auf tatsächlichen Erfahrungen der Vergangenheit beruhen und damit realistisch sind. Über die Hälfte der Befragten schätzt die Hochwassergefahr als hoch, mehr als ein Drittel als mittel ein. Die verkehrliche Situation in Laubegast im Alltag wird grundsätzlich positiv bewertet: Sowohl die Bus-/Bahn-Anbindung als auch die Kfz-Anbindung werden vom Großteil der Befragten eher gut bewertet. Im Hochwasserfall sind jedoch über 60 Prozent der Befragten nicht mit den Verkehrsmöglichkeiten in Laubegast zufrieden.
Nähere Informationen zu den Ergebnissen des Forschungsprojektes unter netze.econ.kit.edu/befragung.php.