Kunst zwischen Dahlien und Obstbäumen
Musikalischer Spaziergang und Modellgarten im »KGV Flora I«
Veröffentlicht am Mittwoch, 4. November 2020
Eine besondere Verbindung von Kunst und Natur: die »Parzelle 3«. So heißt die Außenstelle vom Kunsthaus Dresden, die am 10. Oktober 2020 eingeweiht wurde.
Im Garten summt und zwitschert es zuweilen, doch am 11. Oktober 2020 schwangen ganz andere Töne durch die Kleingartensparte Flora I in Striesen. Zwischen Blumenbeeten, Beerensträuchern und unter Apfelbäumen wurden Lieder gesungen, Gitarre und Geige gespielt und kräftige Blasmusik. Unter dem Motto »Hochhausmelodien. Horizontal« gaben ArYstan, Heated Land, Klaus Beirich, Leléka und das Elbhang-Quartett kleine Parzellenkonzerte. 19 grüne Oasen wurden zur Bühne, die Besucher saßen auf Klappstühlen oder Gartenbänken, auch Zaungäste fanden sich ein. Wer sich nicht im Vorfeld für ein Konzert angemeldet hatte, spazierte durch die Gartenanlage und ließ sich von der musikalischen Vielfalt in den Parzellen überraschen: von der Harfenistin Corinna Kosseck, der iranisch-deutschen Band Nadi oder von Jakoba Schönbrodt-Rühl, die zur Gitarre sang. Charlies Mannen waren schon von weitem zu hören. Zu dem musikalischen Open-Air-Nachmittag hatte das Kunsthaus Dresden eingeladen. Die Konzerte im Grünen entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kleingartenverein Flora I und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste.
Wie die Verbindung von Kunst und Garten aussehen kann, zeigte sich bereits am Vortag, als das Kunsthaus Dresden seine neue »Außenfiliale« unter dem Namen »Parzelle 3« eröffnete.
Parzelle 3
Wer vom Eingang Berggartenstraße 39 den Kleingartenverein betritt, wird von der ungewöhnlichen »Parzelle 3« überrascht: Hier blühen keine Blumen, reifen keine Früchte am Baum, wachsen keine Möhren oder Kartoffeln. Dafür grüne, jetzt im Herbst eher unscheinbare Pflanzen zwischen vielen Steinen. Entstanden ist hier der besondere Modellgarten »Harmas KGV«. Er bietet seltenen und bedrohten Wildblumen und -kräutern aus der Elbtalregion eine Heimstatt. Entworfen hat ihn die Hamburger Künstlerin Nana Petzet, die sich mit ökologischen Fragen auseinandersetzt. Es geht um biologische Artenvielfalt, um Klima und Umwelt.
Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen lobte die Parzelle als Kultur-Biotop und freute sich über diesen weiteren Mosaikstein im »Grünen Netz« von Dresden.
Hier sollen u. a. gelbe Skabiose, Zittergras, Sand-Fingerkraut und Berg-Lauch gedeihen, Pflanzen, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. Sie sind aus dem Boselgarten bei Coswig, einer Außenstelle des Botanischen Gartens der TU Dresden, hierher umgezogen. Der Steingarten bietet die Möglichkeit, das Wachsen und Verhalten der Pflanzen zu beobachten, die Wechselwirkung von Fauna und Flora.
Die aufgeschichteten Sedimentgesteine bieten für viele Insekten Rückzugsgebiete. Die Pflege des Gartens übernimmt das Kunsthaus zusammen mit Kleingärtnern von »Flora I«.
Bei ihrem Projekt ließ sich die auf ökologische Fragestellungen spezialisierte Künstlerin Nana Petzet von dem Laborgarten des französischen Verhaltensforschers Jean-Henry Fabre inspirieren, der Ende des 19. Jahrhunderts einen Harmas, ein steiniges, von Wildpflanzen bewachsenes Gelände, erwarb. Was es damit auf sich hat, darüber können sich Besucher am Ausstellungspavillon der Parzelle 3 informieren. Ebenso erfahren sie hier mehr über das künstlerische Projekt, können sich den Pflanzplan und Pflanzenporträts ansehen.
Der Pavillon auf der Parzelle wurde von dem europäischen Gestalterkollektiv ConstrucLab entworfen. Er wird auch für Veranstaltungen und wechselnde künstlerische Vorhaben, die sich mit ökologischen Themen beschäftigen, bis mindestens 2025 dienen. »Parzelle 3« gehört zum Langzeitprojekt »Neue Nachbarn«, das das Kunsthaus im Zusammenhang mit der Bewerbung Dresdens um den Titel Europäische Kulturhauptstadt auf den Weg gebracht hatte.
■ Fotos: Pohl