»Plattensprung und Sprudelrausch«
Inklusives Theater im Kinder- und Jugendhaus »InterWall«
Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Oktober 2020
Ein inklusives Theaterprojekt in Gorbitz startet durch. Das Projekt entwickelt sich zu einem erfolgreichen Modellprojekt künstlerischer Teilhabe von Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen.
Gorbitz. Acht der derzeit 13 Darstellerinnen und Darsteller waren bei der dritten Probe im Kellerraum des Kinder- und Jugendhauses »InterWall« nach der langen Corona-Pause dabei. Gespannt warteten sie darauf, was Regisseur Stefan Brosig diesmal erarbeiten wird, unterstützt durch die Ehrenamtliche Alexandra Singer. Das inklusive Theaterprojekt »Plattensprung und Sprudelrausch« besteht seit April 2004, damals geleitet durch den Schauspieler Michael Mienert und den Alleinunterhalter René Porst. Ein Jahr lang probt das Ensemble ein Stück, dass sie in der Weihnachtszeit im Rahmen des Familiensonntags im »InterWall« vor ihren Eltern, Familienangehörigen und Besuchern aufführen. Das klingt zunächst nach einem gewöhnlichen Theaterprojekt. Das Besondere daran ist aber, dass die Darstellerinnen und Darsteller im Alter von zwölf bis knapp 40 Jahren, in der Regel körperliche und geistige Einschränkungen mitbringen. Das Sprechen oder auch das Bewegen stellt sie zum Teil vor größere Herausforderungen. Mit viel Geduld, Einfallsreichtum und vor allem Spaß an der Sache meistern sie diese Herausforderung gemeinsam. Stefan Brosig leitet das Projekt in der sechsten Spielsaison. Seine Begeisterung für diese Aufgabe merkt man ihm an. »Dieser Kurs liegt mir sehr am Herzen«, erzählt er. »Sicher kann ich diesen Menschen einiges beibringen. Ich lerne aber auch eine Menge von den Darstellern.« Bereits in seiner Jugendzeit arbeitete er im kirchlichen Bereich mit geistig Behinderten. Mit ihnen gemeinsam Theater zu machen, war auch für ihn eine neue, interessante Herausforderung.
Nach einem Jahr Probe sind nicht nur die Darsteller vor ihrem Auftritt nervös. Auch Stefan Brosig fiebert mit ihnen mit und freut sich mit ihnen, wenn sie am Ende vom Publikum mit viel Applaus bedacht werden. In der Regel verarbeiten sie Märchenstoffe, wie im vergangenen Jahr »Die Schneekönigin«. Stefan Brosig liest zunächst das Stück vor. Gemeinsam sprechen sie darüber, was sie darstellen wollen. Dann schreibt er ein Stück in leichter Sprache, maßgeschneidert entsprechend der Fähigkeiten der Hobbyschauspieler. Auch bei der Gestaltung der Bühnenbilder werden sie, unterstützt durch einen Kunsttherapeuten, mit einbezogen. 2016 hat sich Stefan Brosig mit dem Stück »Ohne Worte« an eine ganz andere Darstellungsweise gewagt. Wie es der Titel schon sagt, arbeiteten die Darsteller nur mit Emotionen und Körpersprache. »Das Theaterspiel fördert das Selbstvertrauen dieser jungen Menschen. Sie treten auch im Alltag mutiger auf«, so der Regisseur. »Auch ihre sprachlichen und motorischen Fähigkeiten haben sich nach und nach verbessert.« Das zu beobachten, ist ein weiterer Lohn seiner Arbeit.
Seit Anfang an dabei ist Juliane Brandt. Die 37-Jährige lebt in Freital und arbeitet derzeit in der Behindertenwerkstatt der Diakonie in Freital. »Mir gefallen die Theaterstücke. Ich habe fast immer eine Sprechrolle«, erzählt sie und lacht dabei. »Juliane kann sich Dinge gut merken und unterstützt auch andere innerhalb der Gruppe«, so Antje Georgi, Sozialarbeiterin im »InterWall«. Aufgrund der langen Coronapause erarbeitet die Gruppe zurzeit ein Improvisationsstück. Der Inhalt ist noch geheim.
Alle hoffen, dass sie auch in diesem Jahr zum Familiensonntag am 13. Dezember 2020 ihr Stück vor Publikum auf die Bühne bringen können. Bis dahin heißt es aber noch eifrig proben.