Kalenderblatt: 9. November
Erinnerung und Mahnung
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. November 2021
»Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!« Bertolt Brecht (1898–1956)
Der 9. November 1938 war ein Schicksalstag für die Juden in ganz Deutschland. Im Rahmen des von den Nationalsozialisten als »Reichskristallnacht« bezeichneten ersten Pogroms gingen in der Nacht auf den 10. November nahezu 400 Synagogen in Flammen auf, zwischen 90 und 100 Menschen jüdischen Glaubens wurden ermordet und mehrere zehntausend in Konzentrationslager verbracht. In dieser Nacht zerstörten die Nationalsozialisten auch die nach Entwürfen Gottfried Sempers (1803-1879) erbaute und am 8. Mai 1840 geweihte Dresdner Synagoge. Das vom Dresdner Bildhauer Johannes Peschel (geb. 1931) geschaffene Denkmal, am 22. April 1975 in unmittelbarer Nähe ihres ehemaligen Standorts eingeweiht, erinnert daran.
Als einziges Relikt der 1938 zerstörten Synagoge existiert heute noch der Davidstern vom Dach des Hauses. Er wurde während der Pogromnacht vom Dresdner Feuerwehrmann Alfred Neugebauer (1914–2006) gerettet und versteckt. Nach Kriegsende übergab er ihn der jüdischen Gemeinde. Der Stern wurde restauriert, schmückte bis 2001 das 1950 mit staatlichen Mitteln zu einer Synagoge umgebaute Gebetshaus auf dem Friedhof an der Fiedlerstraße in Dresden-Johannstadt und befindet sich heute in der neuen Synagoge.
Diese wurde nahezu am gleichen Ort wie die dem nationalsozialistischen Pogrom zum Opfer gefallene errichtet. Am Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge Dresdens, dem 9. November, wurde sie vor zwanzig Jahren eingeweiht.
Wider des Vergessens und weil Zukunft Erinnerung braucht, sei in diesem Zusammenhang auch ein Hinweis auf die Dokumentation »Buch der Erinnerung. Juden in Dresden – deportiert, ermordet, verschollen. 1933–1945« gestattet. Im November vor fünfzehn Jahren erschien sie als repräsentative Ausgabe, herausgegeben vom Arbeitskreis Gedenkbuch der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e. V. Darin wird das Schicksal von etwa 2.000 Dresdner Bürgerinnen und Bürger dokumentiert, die wegen ihres jüdischen Glaubens oder ihrer jüdischer Abstammung zwischen 1933 und 1945 in einem Konzentrationslager ums Leben kamen, sich selbst das Leben nahmen oder nach der Deportation als verschollen gelten. Nach den Ergebnissen der Volkszählungen lebten im Juni 1933 in Dresden 4.397 Menschen, die sich zum jüdischen Glauben bekannten. Bei Kriegsende 1945 zählte die Jüdische Gemeinde noch 41 Mitglieder.
Von bestürzender Aktualität sind in unseren Tagen die Worte des deutschen Dichters Bertolt Brecht (1898–1956): »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!«