Kalenderblatt: 9. November

Erinnerung und Mahnung

Veröffentlicht am Mittwoch, 10. November 2021

»Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!« Bertolt Brecht (1898–1956)

Denkmal, geschaffen vom Dresdner Bildhauer Johannes Peschel (geb.1931), aufgestellt am 22. April 1975.

Denkmal, geschaffen vom Dresdner Bildhauer Johannes Peschel (geb.1931), aufgestellt am 22. April 1975.

Foto: Klaus Brendler

Der 9. November 1938 war ein Schick­salstag für die Juden in ganz Deutschland. Im Rahmen des von den Natio­nal­so­zia­listen als »Reichs­kris­tall­nacht« bezeich­neten ersten Pogroms gingen in der Nacht auf den 10. November nahezu 400 Synagogen in Flammen auf, zwischen 90 und 100 Menschen jüdischen Glaubens wurden ermordet und mehrere zehntausend in Konzen­tra­ti­ons­lager verbracht. In dieser Nacht zerstörten die Natio­nal­so­zia­listen auch die nach Entwürfen Gottfried Sempers (1803-1879) erbaute und am 8. Mai 1840 geweihte Dresdner Synagoge. Das vom Dresdner Bildhauer Johannes Peschel (geb. 1931) geschaffene Denkmal, am 22. April 1975 in unmit­tel­barer Nähe ihres ehema­ligen Standorts einge­weiht, erinnert daran.

Als einziges Relikt der 1938 zerstörten Synagoge existiert heute noch der David­stern vom Dach des Hauses. Er wurde während der Pogrom­nacht vom Dresdner Feuer­wehrmann Alfred Neuge­bauer (1914–2006) gerettet und versteckt. Nach Kriegsende übergab er ihn der jüdischen Gemeinde. Der Stern wurde restau­riert, schmückte bis 2001 das 1950 mit staat­lichen Mitteln zu einer Synagoge umgebaute Gebetshaus auf dem Friedhof an der Fiedler­straße in Dresden-Johann­stadt und befindet sich heute in der neuen Synagoge.

Die nach Plänen Gottfried Sempers errichtete und 1840 eingeweihte Synagoge  (Lithographie von Ludwig Thümling, ca. 1860)

Die nach Plänen Gottfried Sempers errichtete und 1840 einge­weihte Synagoge (Litho­graphie von Ludwig Thümling, ca. 1860)

Diese wurde nahezu am gleichen Ort wie die dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Pogrom zum Opfer gefallene errichtet. Am Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge Dresdens, dem 9. November, wurde sie vor zwanzig Jahren einge­weiht.

Wider des Vergessens und weil Zukunft Erinnerung braucht, sei in diesem Zusam­menhang auch ein Hinweis auf die Dokumen­tation »Buch der Erinnerung. Juden in Dresden – depor­tiert, ermordet, verschollen. 1933–1945« gestattet. Im November vor fünfzehn Jahren erschien sie als reprä­sen­tative Ausgabe, heraus­ge­geben vom Arbeits­kreis Gedenkbuch der Gesell­schaft für Christlich-Jüdische Zusam­men­arbeit Dresden e. V. Darin wird das Schicksal von etwa 2.000 Dresdner Bürge­rinnen und Bürger dokumen­tiert, die wegen ihres jüdischen Glaubens oder ihrer jüdischer Abstammung zwischen 1933 und 1945 in einem Konzen­tra­ti­ons­lager ums Leben kamen, sich selbst das Leben nahmen oder nach der Depor­tation als verschollen gelten. Nach den Ergeb­nissen der Volks­zäh­lungen lebten im Juni 1933 in Dresden 4.397 Menschen, die sich zum jüdischen Glauben bekannten. Bei Kriegsende 1945 zählte die Jüdische Gemeinde noch 41 Mitglieder.

Von bestür­zender Aktua­lität sind in unseren Tagen die Worte des deutschen Dichters Bertolt Brecht (1898–1956): »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!«

Klaus Brendler

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