Das Aus der Kunstdruck AG vor 25 Jahren
Dresdner Unternehmen und ihre Geschichte
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. August 2018
Über 40 Jahre hat Dieter Wuttge als Farblithograf in der Kunstdruck AG gearbeitet. Die wechselvolle Geschichte des Betriebes lässt ihn nicht los. Er will sie für die Nachwelt bewahren.
1897 begann die Geschichte der Aktiengesellschaft für Kunstdruck Dresden-Niedersedlitz an der Saydaer Straße 6–8. In den Anfangsjahren noch im Stein- und Buchdruck, wurden im 4–6-Farben-Offsetdruck Plakate, Post- und Reklamekarten, Katalogumschläge, Prospekte und Kalender, Etiketten für die Lebensmittel-, Süßwaren- und Getränkeindustrie wie die Dresdner Süßwarenfabriken »Elbflorenz« oder die Radebeuler Sektkellerei »Bussard« sowie Verpackungen für Spielwaren gedruckt. Bis zu 700 Mitarbeiter beschäftigte das Unternehmen in seinen Hochzeiten. Ab 1972 war der Betrieb nach staatlicher Beteiligung ein Werkteil des VEB Polypack Dresden, bis 1992 Teil der Dresdner Druckerei und Beschichtung GmbH, ehe die Wall AG aus Graz die gesamte Verpackungsindustrie der DDR übernahm und nach einem Jahr die Türen in Niedersedlitz für immer schloss. Ein Schicksal, das Dieter Wuttge auch heute noch nahe geht.
Er hat über 40 Jahre in der Kunstdruck AG gearbeitet, war Mitarbeiter der Erzeugnisentwicklung und mitverantwortlich für die grafische Gestaltung von Verpackungen. Entsprechend der Kundenwünsche gestaltete er z. B. Verpackungen für die Firma „Lausitzer Glas“ oder Schultüten des VEB Kombipack Dresden und bereitete diese Grafiken lithografisch für den Druck vor. 1950 erlernte er als gerade 14-Jähriger den Beruf des Farblithografen von der Pike auf. Das genaue Nachzeichnen vom Original, als wichtiger Bestandteil des Berufs, war oft begleitet von den Worten seines Lehrmeisters Kruse: »Ihr müsst sehen lernen, gucken kann jeder.«
Dieter Wuttge erinnert sich auch gern an die Betriebsfeiern und gemeinsame Freizeitaktivitäten. »Zum Tischtennis und Schach spielen traf man sich nach der Arbeit im Saal der Kantine, daneben war auch eine Kegelbahn. Es gab eine Fußballmannschaft, ein alljährliches Sportfest, selbstorganisierte Pausengymnastik, eine begeisterte Theatergruppe, die extra für die Weihnachtsfeier ein Stück einstudierte«, schreibt er in seinen Lebenserinnerungen.
Der heute 82-Jährige löschte 1993 als einer der Letzten das Licht. Doch die Erinnerungen an die Kunstdruck Dresden-Niedersedlitz AG und an seinen Beruf lassen ihn auch nachts nicht los. Dann wandelt er seinen Träumen in den Räumen, wo sich heute ein Tanz- und Sportstudio befindet und erklärte sogar dem erschrockenen Mieter bei einem realen Besuch: »Ich bin jede Nacht hier…!«.
Mit viel Liebe zum Detail hat er in seinem privaten Archiv die Geschichte von Firma und Berufsstand in Text und Bild festgehalten. Zahlreiche Werkzeuge eines Lithografen wie Fetttusche, Feder, Pinsel, Schaber und Nadel gehören ebenfalls zu seiner Sammlung. »Heute im digitalen Zeitalter stehe ich staunend vor dem für mich unbegreiflichen rasanten Ablauf vom Original zum fertigen Druckerzeugnis, denn nur für die Retusche zum Beispiel einer Blumenglückwunschkarte benötigte der Lithograf etwa 30 Stunden«, so Dieter Wuttge. Dennoch sind die Geschichte von Beruf und Firma es wert, für die Nachwelt bewahrt zu werden. Die Lithografie (Steinzeichnen), wie sie Alois Senefelder (1771–1834) mit dem Flachdruck-Verfahren von Solnhofener Kalkschiefer-Lithosteinen entwickelte, wird heute noch in Künstlerkreisen genutzt.