90 Jahre Naußlitzer Holzhaussiedlung
Straßennamen aus dem Rheinland
Veröffentlicht am Montag, 23. Oktober 2017
Die Naußlitzer Holzhaussiedlung ist ein architektonisches Juwel Dresdens. Sie gibt es bereits seit 90 Jahren.
Naußlitz. In diesem Jahr feiert der 1920 entstandene Verein »Siedlungsheim Dresden-Naußlitz« das 90-jährige Bestehen seiner Holzhaussiedlung. Zum Jubiläums-Straßenfest im Mai wurde auch eine Ausstellung zu den Holzhäusern und der Siedlung gezeigt. Vereinsvorsitzender Johannes Paul führte die Festgäste durch die Siedlung und konnte einiges aus dem Leben seiner Kindertage erzählen.
Andere Anwohner steuerten ihre Erinnerungen bei. So gab es nach dem Krieg in der Siedlung zahlreiche Läden und Handwerker. Viele erinnerten sich z.B. an die Ziegelei Küchler oder an die Gärtnerei am Kölner Platz. Oder an den Schuhmacher Richter im Hinterhaus Binger-/Ecke Rüdesheimer Straße. Er hat den kleinen Kindern das Schuhbinden beigebracht. In einem Hinterhaus an der Rüdesheimer Straße befand sich früher eine Wäscherolle, im Haus Altnaußlitz 8 ein Kolonialwarenladen. In einem Haus an der Alfred-Thiele-Straße gab es nach dem Krieg einen Schreibwarenladen. »Oft haben die Frauen in ihren Wohnstuben Läden eingerichtet, um für ihren Unterhalt zu sorgen«, erklärt Johannes Paul.
Im Oktober fuhren die Vereinsmitglieder nach Niesky und besuchten das Konrad-Wachsmann-Haus mit seinem Informationsforum für den modernen Holzbau. Niesky galt Anfang des 20. Jahrhunderts als Zentrum des modernen Holzhausbaus. Hier gründeten der Tischler Christoph und der Architekt Unmack 1887 eine Firma, die Holzhäuser produzierten. 1926 gab der Naußlitzer Verein Holzhäuser in Auftrag, ein Jahr später konnten die ersten Anwohner einziehen.
»Mein Großvater gehörte hier zu den ersten Siedlern«, erzählt Johannes Paul. »Mit meinen Eltern haben wir zunächst im Gartenhaus hinter dem Wohngebäude gewohnt. Nach dem Tod der Großeltern sind wir dann in das Holzhaus gezogen.« Darin lebt er mit seiner Familie noch heute. Die Alfred-Thiele-Straße, an der er wohnt, hieß früher Jochhöhstraße, benannt nach der Höhe zwischen Dölzschen und Pesterwitz. Heute trägt sie als einzige Straße den Namen eines früheren Bewohners. Alfred Thiele wurde 1933 aus politischen Gründen von den Nazis umgebracht. Auffällig ist, dass hier viele Straßen nach Städten im Rheinland benannt sind. »Damals unternahmen die Naußlitzer einen Ausflug ins Rheinland und waren so von den dortigen Siedlungen begeistert, dass sie ihre Straßen nach Städten wie Bingen oder Rüdesheim benannten«, erzählt der Vereinsvorsitzende weiter.
Mit besonderem Interesse verfolgen die Siedler heute die Entwicklungen auf dem angrenzenden Gelände der ehemaligen Baumann-Fabrik in Altnaußlitz. Das 1914 gegründete Unternehmen stellte Einlegesohlen für Schuhe her und existierte bis 1990. »Unsere Idee ist es, auf dem Gelände eine Heimatstube einzurichten«, sagt Johannes Paul. So könnte die Geschichte dieser Fabrik bewahrt werden.