»Die lebendigen Brigade-Tagebücher«

Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2020

Still und leise haben sie überdauert, die »Brigade-Tagebücher« der Abteilung »Technologische Planungen« des VEB Transformations- und Röntgenwerks Dresden (TuR). Jetzt sind sie dem Stadtarchiv übergeben worden.

Nachdem Siemens den VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden übernommen hatte, endete das Kapitel »TuR«. Was blieb, war der Zusammenhalt unter den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten regelmäßig trafen. Foto: Uwe Meyer-Clasen

Nachdem Siemens den VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden übernommen hatte, endete das Kapitel »TuR«. Was blieb, war der Zusammenhalt unter den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten regelmäßig trafen.

Foto: Uwe Meyer-Clasen

Brigade-Tagebücher sind vielen aus DDR-Zeiten ein Begriff. Eine Retro­spektive von Uwe Meyer-Clasen.

Seit Anfang der 1960er Jahre war es in der DDR üblich, dass im Wettbewerb um den Titel »Kollektiv der sozia­lis­ti­schen Arbeit« von den einzelnen Abtei­lungen bzw. Gewerk­schafts­gruppen »Brigade-Tagebücher« geführt wurden. In der Abteilung »Techno­lo­gische Planung«, die 1960 im »VEB Trans­for­ma­toren- und Röntgenwerk Dresden« (TuR) gegründet wurde, gab es ab dem Jahr 1966 solche Bücher. Sie wurden konti­nu­ierlich bis 1989 geführt.

Für die Führung der Tagebücher waren immer zwei bis drei Kollegen verant­wortlich. Sie hielten fest, zu welchen Ereig­nissen oder Veran­stal­tungen Berichte ins Tagebuch kommen sollten und wer sie schrieb. So enthielten unsere Tagebücher nicht nur das jeweilige Kollektiv-Programm, Stellung­nahmen zu politi­schen Ereig­nissen, Fotos von NAW- (Natio­nales Aufbauwerk) und VMI-Einsätzen (Volks­wirt­schaft­liche Massen-Initiative) und Berichte über die Arbeit mit der Paten­klasse. Dokumen­tiert wurden auch Besuche von Kunst­aus­stel­lungen, Famili­en­wan­dertage, Skat­abende, Kegel­abende, Vorträge von Privat­reisen, Fotowett­be­werbe, Kollek­tiv­feiern mit Ehepartnern, Faschings­feiern usw. Selbst­ver­ständlich sind beruf­liche Erfolge – zum Beispiel die Übergabe von fertig­ge­stellten Neubau­pro­jekten und Ratio-Objekten – in Wort und Bild festge­halten worden. All jenen, die diese Tagebücher gestaltet haben, gilt ein nachträg­licher Dank.

Ende und ein neuer Anfang

Als »TuR« am 30. Juni 1991 von »SIEMENS« übernommen wurde, endeten für mich wie für andere Kolle­ginnen und Kollegen auch nach 25 Jahren das Kapitel »TuR«. Das Kollektiv wurde aufgelöst und die Mehrzahl der Kollegen gekündigt. Bei diesem Abschied nahmen wir uns vor, die tradi­tio­nellen Quartals-Skat­a­bende zum Anlass zu nehmen, uns auch weiterhin viermal im Jahr zu treffen und uns dabei über ­aktuelle Erleb­nisse und Pro­bleme auszu­tau­schen und uns an gemeinsame Erleb­nisse zu erinnern. Kein Mensch ahnte ­damals, dass sich die Kolle­ginnen und Kollegen auch noch im Jahre 2020 treffen würden!

Zum Glück hatte der Autor 1991 die Brigade-Tagebücher aus den Jahren 1966 bis 1989 mit nach Hause genommen.

Für unsere Treffen wurden immer die Tagebücher ausge­sucht, die einen »runden Geburtstag« hatten, also 2018 zum Beispiel die Tagebücher von 1968 (50 Jahre), 1978 (40 Jahre) und 1988 (30 Jahre).

»2 x 25 Jahre TuR«

Von unseren Treffen haben wir auch Fotos gemacht – anfänglich spora­disch. Natur­gemäß wird der Kreis der Teilneh­menden immer kleiner. Aber zur Feier »2 x 25 Jahre TuR« im Dezember 2016, zu der ich eine Power-Point-Präsen­tation von unseren gemein­samen 25 TuR-Jahren und den 25 Jahren Treffen nach der TuR-Ära zusammen gestellt hatte, war noch einmal ein großer Kolle­gen­kreis versammelt. Selbst der Abtei­lungs­leiter aus dem Gründungsjahr 1960 war mit seinen knapp 90 Jahren mit dabei.

Wir waren uns mit dem Stadt­archiv darüber einig, dass die Tagebuch-Sammlung ein wertvolles zeithis­to­ri­sches Dokument darstellt. Da die Gründung unserer Abteilung nun 60 Jahre zurück­liegt, hielten wir es für richtig, diese Sammlung am 29. September 2020 dem Stadt­archiv zu übergeben.

Uwe Meyer-Clasen/Steffen Möller

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