Die heitere Muse als Dorfschönheit
Im Gespräch mit Dramaturg Andreas Schwarze
Veröffentlicht am Donnerstag, 9. April 2015
Andreas Schwarze, Dramaturg der Staatsoperette Dresden hat für seinen Vortrag unter dem Titel »Die heitere Muse als Dorfschönheit – 70 Jahre Volkstheater in Dresden-Leuben« im Dresdner Stadtmuseum viel recherchiert. Marion Neumnann sprach mit ihm.
»Oh, es ist ein Zauber ausgeschüttet… Diese Operette der Deutschen Volksbühne ist der Beweis, dass auch die leichte Muse sinnvoll ohne kitschig, heiter ohne ordinär und fröhlich ohne derb zu wirken sein kann … es war ein erfolgreicher Operettenstart.« So beschrieb Ernst Krause, Musikwissenschaftler und damaliger Theaterkritiker der Sächsischen Zeitung am 4. Oktober 1947 die umjubelte Premiere von Lehárs »Lustige Witwe« in der Inszenierung Ive Beckers im »Apollo« als die Geburtsstunde des Operettentheaters im Dresdner Osten. Recherchiert hat das Andreas Schwarze für seinen Vortrag im Stadtmuseum im Januar dieses Jahres unter dem Titel »Die heitere Muse als Dorfschönheit – 70 Jahre Volkstheater in Dresden-Leuben« anlässlich des 20. Kolloquiums zur Dresdner Stadtteilgeschichte.
Seine »älteste Liebe«
Schon während seines Regiestudiums in Berlin zog Andreas Schwarze das Genre Operette magisch an, und er absolvierte ab 1983 Praktika in Leuben. Die Staatsoperette ist also seine »älteste Liebe«. Diese Art von Theater, der großartige Ensemblegeist und die Vielfalt der künstlerischen Möglichkeiten ließen ihn immer wieder dorthin zurückkehren, ob als Abendspielleiter, Solist, Regisseur, Moderator, Theaterfotograf oder heute als Dramaturg.
Digitales Archiv
»Während der Arbeit an der Jubiläumsgala zum 65. Jahrestag der Staatsoperette 2012, bei der ich für Buch, Ausstattung und Regie verantwortlich zeichnete, kam mir die Idee eines digitalen Archivs der Staatsoperette und ihrer Vorgängertheater. Intendant Wolfgang Schaller überzeugte den Amtsleiter des Stadtarchivs von diesem Vorhaben, schuf alle Voraussetzungen für die Realisierung und betraute mich mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe.«
Bald wird die Staatsoperette ihren heutigen Standort verlassen und ins Zentrum der Stadt zurückkehren. Wolfgang Schaller wandte sich an das Publikum mit der Bitte, nach Erinnerungen zu kramen. Der Laubegaster Ortschronist Christian Grohmann stellte sein Privatarchiv zur Verfügung, Interviews mit Zeitzeugen wurden geführt. Viele interessante Dokumente von den alten Theatern und der Operette fanden den Weg ins Archiv. »Dieses Potential ist aber sicher noch nicht ausgeschöpft, wir freuen uns über jeden weiteren Beitrag«, betont Andreas Schwarze zuversichtlich. Die persönliche Vertrautheit und Kompetenz in Sachen Leubener Operette im gestern wie heute liegen auf der Hand. »Schließlich bin ich nicht der einzige, der der ›Muse als Dorfschönheit‹ verfallen ist. Das Archiv, das jetzt entsteht, soll für alle ihre Freunde und Förderer, für die Wissenschaftler und das interessierte Publikum eine Fundgrube werden.«
Was bleibt, wenn die Pforte schließt?
Andreas Schwarze zitiert die Schlussworte seines Vortrags: »Nun ist das alte Haus am Ende seiner Theaterkarriere angekommen. An diesem Standort und in dieser Hülle wurde die Staatsoperette Dresden durch die Leistungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem führenden Operetten- und Musicaltheater, das sich nationaler und internationaler Bekanntheit und Wertschätzung erfreut. Die Stadt Dresden hat dies erkannt und schafft ihm nach 65 Jahren Diskussion einen modernen und zentralen Standort mit Zukunft… Was bleiben wird, sind zahllose persönliche Geschichten und Erinnerungen der Künstler, Zuschauer und Anwohner und ein leeres Haus, dessen weitere Nutzung unbestimmt ist. Aber vielleicht sorgen der Geist des Volkstheaters und die schöpferische Energie, die in den alten Mauern stecken, für neues Leben im ›Feenpalast‹ im kleinen alten Dorfkern von Leuben.«