Altar verdeckt, Alltag verstellt

Kunst im Kontext des Kirchenraums

Veröffentlicht am Mittwoch, 26. August 2020

Kunst sollte immer mehr sein, als eine Reaktion auf etwas, so das Credo des Dresdner Künstlers Daniel Rade. Seine jüngste Arbeit ist noch bis 30. August in der Martin-Luther-Kirche zu sehen.

Künstler Daniel Rode (r.) und Pfarrer Eckehard Möller. Fotos: Möller

Künstler Daniel Rode (r.) und Pfarrer Eckehard Möller.

Foto: Möller

Äußere Neustadt. Noch bis 30. August 2020 ist die großfor­matige Instal­lation »I WANT TO« des Dresdner Künstlers Daniel Rode im Chorraum der Martin-Luther-Kirche zu sehen. Ein über sechs Meter hohes Gerüst wurde mit einem Textbanner versehen und so aufge­stellt, dass es aus einem bestimmten Winkel betrachtet den gesamten Altar verdeckt. Der Text ist in engli­scher Sprache und großen Block­buch­staben fortlaufend geschrieben. Dies verändert den gewohnten Eindruck des Kirchen­raumes stark und wirft nicht nur ästhe­tische Fragen auf.

»Auch das Thema Corona steht wie ein Hindernis vor fast allen Dingen«, sagte Eckehard Möller, Pfarrer an der Martin-Luther-Kirche. »Viele Vorhaben und Debatten sind dadurch wie blockiert. Ein Gerüst mit provo­kantem Text direkt vor dem Altar könne aber auch den oft blockierten Zugang zu Gott versinn­bild­lichen.«

»I want to under­stand why you« steht in Großbuch­staben auf dem Banner geschrieben, sinngemäß „Ich möchte verstehen, warum du“. Rode belässt das Satzfragment in der Origi­nal­sprache, verzichtet auf korrekte Worttren­nungen und Zeilen­umbrüche. Das Lesen wird so zum Entziffern und erzeugt einen Moment der Unsicherheit. Der Betrachter fragt sich: Was heißt das, warum kann ich das nicht lesen?

Daniel Rode ist es wichtig, dass eine künst­le­rische Arbeit ihre Selbst­stän­digkeit behält, auch wenn sie wie in einem so fordernden und beson­deren Kontext wie dem des Kirchen­raums auftaucht. »Kunst sollte immer mehr sein, als eine Reaktion auf etwas, sie muss aus sich heraus und für sich allein ganz und fertig und stark und lesbar sein«, so sein Credo.

Die Arbeit in einem solchen Umfeld erfordert Sorgfalt und Umsicht, die Kräfte der Kirche stehen den Kräften der Kunst gegenüber. Dabei verfolgt Rode keine Agenda, hat keine Botschaft an die Kirche oder die Gemeinde. Es ist kein theolo­gi­scher Spruch, kann aber als solcher inter­pre­tiert werden.

Hausherr Eckehard Möller war überrascht, wie gut sich die Instal­lation in den Kirchenraum einfügt und will das Sujet in seine Predigten einbe­ziehen. Altar verdeckt – Alltag verstellt, so seine Inter­pre­tation des Kunst­werks. Warum trägst du eine Maske und warum bist du dagegen, sind in Zeiten der Pandemie nur zwei Frage­stel­lungen mit aktuellem Bezug.

Daniel Rode, Jahrgang 1971, lebt und arbeitet in der Dresdener Neustadt und hat an der Hochschule für Bildende Künste Dresden Diplom und Meister­schü­ler­ab­schluss erworben.

Steffen Möller

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